Inhalt

Presseerklärung

zum "Offenen Brief an die Vertreter der Gemeinde Heringsdorf, Ahlbeck, Bansin" des Prof. Dr. Dietmar Enderlein vom 25.08.2022 

Die Gemeindevertretung Ostseebad Heringsdorf hat für das rund 2,3 ha große Areal zwischen Setheweg und Bansiner Landweg am 24.09.2019 die Aufstellung des Bebauungsplans Nr.67 beschlossen. Durch den Bebauungsplan sollen der für das Areal bisher geltende Bebauungsplan Nr. 26 „Wohngebiet am Setheweg“, der noch die Errichtung von 37 Wohneinheiten vorsieht, geändert und die rechtliche Grundlage für die Errichtung eines Gesundheitszentrums, einer Seniorenwohneinrichtung sowie von 72 Wohnungen geschaffen werden. Der neue Bebauungsplan ist jedoch von der Gemeindevertretung nach wie vor nicht beschlossen worden. Der Eigentümer des Areals hat sich zuletzt in einem „offenen Brief“, datierend vom 25.08.2022, an die Gemeindevertretung gewandt und den Vorwurf erhoben, die Gemeinde sei an der Verwirklichung des Vorhabens nicht ernsthaft interessiert. Dies ergebe sich aus den vermeintlich unverhältnismäßigen Forderungen, die die Gemeinde zum Gegenstand der den Bebauungsplan begleitenden städtebaulichen Verträge gemacht habe. So könne der Investor insbesondere nicht nachvollziehen, wozu es der Vereinbarung von Sicherheitsleistungen und Vertragsstrafen bedürfe. Im Übrigen habe der Investor die Entwürfe der städtebaulichen Verträge unterzeichnet, die Bürgermeisterin diese jedoch bis heute nicht gegengezeichnet. Infolge dessen sei ihm ein erheblicher Schaden entstanden und er nicht mehr dazu bereit, das Vorhaben zu verwirklichen. Unter der Überschrift „Enderlein schmeißt hin: Aus für Gesundheitspark in Heringsdorf“, berichtete auch die Ostseezeitung in der Ausgabe vom 21.09.2022 über das Verfahren.

Die Gemeinde sieht die Notwendigkeit zu folgender Klar- bzw. Richtigstellung:

  1. Das Bebauungsplanverfahren wurde und wird von der Gemeinde auch weiterhin mit hoher Priorität betrieben: Nachdem der Investor das Areal im August 2019 erworben und sich an die Gemeinde gewandt hatte, beschloss die Gemeindevertretung in ihrer Sitzung am 30.07.2020 die Aufstellung eines sog. vorhabenbezogenen Bebauungsplans im vereinfachten Verfahren, durch welchen die erforderliche planungsrechtliche Grundlage zur Errichtung eines Gesundheitszentrums, einer Seniorenresidenz sowie einer gegenüber dem geltenden Bebauungsplan Nr. 26 doppelt so hohen Anzahl von Wohnungen geschaffen werden sollte. Dem daraufhin erarbeiteten Entwurf des vorhabenbezogenen Bebauungsplans stimmte die Gemeindevertretung mit Beschluss vom 27.08.2020 zu. Anschließend wurde der Bebauungsplan öffentlich ausgelegt und die Träger öffentlicher Belange beteiligt. Parallel zum Aufstellungsverfahren erarbeiteten die Gemeindeverwaltung und der Investor den Entwurf eines Durchführungsvertrages. Bei diesem Vertrag handelt es sich um eine besondere Form des städtebaulichen Vertrages, der bei der Aufstellung vorhabenbezogener Bebauungspläne rechtlich zwingend vorgeschrieben ist. Mindestinhalt dieses Vertrages ist die Verpflichtung des Investors, das Vorhaben zügig zu verwirklichen. Zu diesem Zweck ist es obligatorisch, dass die Gemeinde im Durchführungsvertrag sowohl Sicherheiten als auch Vertragsstrafen vorsieht. Fehlt es daran, kann dies die Unwirksamkeit des vorhabenbezogenen Bebauungsplans begründen.

  2. Die anschließenden Verfahrensverzögerungen sind nicht von der Gemeinde, sondern vom Investor zu vertreten: So waren Gemeindeverwaltung und Gemeindevertretung bis Ende des Jahres 2020 davon ausgegangen, dass der Investor auch die weiteren Anforderungen, die das Gesetz an die Befähigung und Bereitschaft zur Verwirklichung des Vorhabens im Rahmen eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans stellt, erfüllen würde. Dazu gehört insbesondere, dass es eine Gesellschaft gibt, die die Gesamtverantwortung für die Realisierung des Projekts übernimmt. Ende des Jahres 2020 legte der Investor gegenüber der Gemeinde jedoch erstmals offen, dass es keinen einheitlichen Vorhabenträger geben werde, weil er beabsichtige, das Gesundheitszentrum und die Seniorenresidenz jeweils durch eine eigene Projektgesellschaft, das Wohnvorhaben wiederum durch zwei weitere Projektgesellschaften zu verwirklichen. Die Bereitschaft, eine der Gesellschaften finanziell so auszustatten, dass sie das Gesamtprojekt verantworten kann, bestand seitens des Investors nicht.

  3. Um das Projekt dennoch zu einem erfolgreichen Abschluss bringen zu können, beschloss die Gemeindevertretung daraufhin am 27.05.2021 das Verfahren als Verfahren zur Aufstellung eines gebietsbezogenen („normalen“) Bebauungsplans fortzuführen. Dies erforderte, dass die Planung entsprechend angepasst und die Verfahrensschritte der Öffentlichkeits- und Trägerbeteiligung wiederholt werden. Mit der Umstellung des Verfahrens war indes keine Freistellung des Investors von den verhandelten vertraglichen Verpflichtungen verbunden. Ebenso wenig wurden durch die Verfahrensumstellung Sicherheiten und Vertragsstrafen überflüssig. Allerdings musste der vormalige Durchführungsvertrag nunmehr geändert und die Vertragspflichten durch die Erarbeitung von vier Einzelverträgen auf die Projektgesellschaften „verteilt“ werden. Die Kosten für die Vertragsänderungen hat die Gemeinde übernommen.

  4. Die städtebaulichen Verträge sehen zunächst vor, dass sich der Investor an den Kosten der Herstellung der Erschließung in angemessener Höhe beteiligt. Die Gemeinde hat am 18.06.2021 beschlossen, dass der Ausbau des Setheweges zusammen mit dem Ausbau des Bansiner Landweges und des Wiesenweges erfolgen soll, was auch die Schaffung eines Regenrückhaltebeckens umfasst. Die Gesamtkosten der Erschließung sollen überwiegend durch eine öffentliche Förderung gedeckt werden. Die verbleibenden Kosten sollen zu jeweils einem Drittel vom Investor sowie vom Vorhabenträger des Bebauungsplans Nr. 50 „Wohn- und Parkanlage im Wiesenweg“ aufgebracht werden. Darüber hinaus soll der Investor die Hälfte der Kosten der Errichtung einer Löschwasserversorgungsanlage übernehmen. Zur Absicherung dieser Verpflichtungen soll der Investor der Gemeinde eine Bürgschaft in Höhe von einer halben Millionen Euro übergeben. Weder die Beteiligung an den Kosten der Erschließung noch der konkrete Sicherungsbetrag sind angesichts des Gesamtinvestitionsvolumens von mindestens 35 Mio. € unangemessen hoch.

  5. In Bezug auf die zu errichtenden Wohnungen haben Bauausschuss und Gemeindevertretung darauf bestanden, dass vertraglich geregelt wird, dass von den insgesamt zu errichtenden 72 Wohnungen 10 als öffentlich geförderte (Sozial-)Wohnungen (davon jeweils 5 im ersten und 5 zweiten Förderweg) dem Markt zur Verfügung gestellt werden. Diese Wohnungen sollen mit einer Anfangsmiete von 6,00 € bzw. 6,80 € nettokalt angeboten werden. Ferner sollen weitere 26 Wohnungen für Mitarbeiter im Tourismusgewerbe reserviert und angeboten werden. Beide Vertragspflichten stehen zur Wahrung der Angemessenheit unter der Bedingung, dass öffentliche Förderung zur Verfügung steht und vom Investor in Anspruch genommen werden kann. Wenn und soweit dies nicht der Fall ist, entfallen die genannten Vertragspflichten ersatzlos. Der verbliebende Teil von 36 Wohnungen sowie die 46 altersgerechten Wohnungen unterliegen keinerlei vertraglichen Bindungen.

  6. Der Investor hat die Vertragsentwürfe mit den genannten Inhalten am 07.03.2022 unterzeichnet. Damit lagen der Gemeinde entsprechende Vertragsangebote vor. Der nächste Schritt wäre der Beschluss des Bebauungsplans als Satzung gewesen und war für Mitte des Jahres vorgesehen. Der Gemeinderat hätte die Bürgermeisterin im Zuge dessen angewiesen, den Vertrag gegenzuzeichnen. Leider hat der Investor dies jedoch nicht abgewartet, sondern ist von den Vertragsangeboten wieder zurückgetreten. Zur Begründung hat er angeführt, dass er die vertraglichen Verpflichtungen aufgrund von Baukostensteigerungen etc. nicht (mehr) erfüllen könne. Angesichts des erheblichen Volumens des Vorhabens auf der einen Seite, der verhältnismäßig geringen Kostenlast, die die vertraglichen Verpflichtungen für den Investor bedeuten, sowie der bereitstehenden öffentlichen Fördermittel auf der anderen Seite, ist dies für die Gemeinde nicht nachvollziehbar. Entsprechende vertragliche Regelungen sind nicht nur bei Bauvorhaben entsprechender Größenordnung, sondern im Allgemeinen üblich, um zu verhindern, dass die Gemeinde und damit letztlich der Steuerzahler mit den Kosten belastet wird. Vertragsstrafen dienen der Gewährleistung der zügigen Verwirklichung und verhindern, dass Grundstücke vor Fertigstellung der Bebauung zu Spekulationsobjekten werden.

  7. Die Dauer des Bebauungsplanverfahrens ist somit entgegen der Behauptung des Investors in dem „offenen Brief“ an die Vertreter der Gemeinde Heringsdorf nicht von der Gemeinde zu vertreten. Diese hat das Verfahren einschließlich der Erarbeitung der Vertragsentwürfe in jedem Stadium zügig betrieben. Der Bebauungsplan hätte bereits Ende des Jahres 2021 beschlossen werden können, wenn der Investor die Gemeinde über alle für sie erheblichen Umstände informiert hätte, was nicht geschehen ist und zu der vorgenannten Änderung der Verfahrensart geführt hat. Auch das daraufhin in Gang gekommene „normale“ Bebauungsplanverfahren hätte spätestens im Sommer dieses Jahres mit positivem Ergebnis abgeschlossen werden können, wenn der Investor von seinen Vertragsangeboten nicht zurückgetreten wäre. Betont werden muss auch, dass die Gemeinde im Rahmen der Vertragsverhandlungen dem Investor mehrfach entgegengekommen ist und ihre anfänglichen Forderungen deutlich reduziert hat.

  8. Die Gemeinde betont, dass sie es bedauern würde, wenn die Umsetzung des für die Gemeinde städtebaulich hocherwünschten Projekts daran scheitern sollte, dass eine Einigung über die vom Investor einzugehenden vertraglichen Verpflichtungen nicht erzielt werden könnte. Zuletzt hat die Gemeindeverwaltung der rechtsanwaltlich Bevollmächtigten des Investors mit Schreiben vom 23.08.2022 bestätigt, in welchen Punkten eventuell noch Spielräume für eine erneute Vertragsverhandlung gesehen werden und in welchen Punkten dies nicht der Fall ist. Leider hat der Investor keine weiteren Verhandlungen mit der Gemeinde aufgenommen, sondern das Vorhaben für gescheitert erklärt. Die in dem „offenen Brief“ vom 25.08.2022 gegen die Gemeinde erhobenen Vorwürfe und Drohungen mit Schadensersatzforderungen sind weder berechtigt noch zielführend. Die Gemeinde verleiht gleichwohl ihrer Hoffnung Ausdruck, dass das Vorhaben – auch vor dem Hintergrund der immer schwieriger werdenden Situation am Immobilienmarkt - noch zu einem positiven Abschluss gelangt.

Gemeinde Ostseebad Heringsdorf, 21.09.2022

Laura Isabelle Marisken
Bürgermeisterin

22.09.2022